Wechseljahre: Zeit der Veränderung- Interview mit Dr. Sheila de Liz

Eine Expertin in puncto Wechseljahre ist die wohl bekannteste Frauenärztin Deutschlands, Dr. med. Sheila de Liz. In unserem Interview verrät sie, wie man dieser Zeit der Veränderung positiv und vor allem gelassen entgegensehen kann.

Wenn die Wechseljahre einsetzen, beginnt eine neue Lebensphase. Hitzewallungen, Herzrasen, Brustschmerzen, Depressionen, Schlafprobleme – kein Wunder, dass viele Frauen bei diesen möglichen Begleiterscheinungen Unbehagen oder sogar Angst empfinden. Doch es geht auch anders!

Frau Dr. de Liz, Sie haben sich im Rahmen Ihres neuen Buchs „Woman on fire“ intensiv mit den Wechseljahren beschäftigt. Die Wörter „Wechsel“ und Meno„pause“ deuten schon auf Umstellungen hin. Was passiert während dieser Lebensphase genau?

Dr. de Liz: In den Wechseljahren fahren die Eierstöcke nach und nach ihre Produktion runter, in der Folge sinkt der Progesteron- und Östrogenspiegel der Frau- und das bringt einige Veränderungen mit sich. Die allerletzte Periode bezeichnen wir als Menopause – das Wort wird fälschlicherweise oft synonym zu den Wechseljahren verwendet. Der korrekte medizinische Begriff für die Wechseljahre ist Perimenopause, also der Vorlauf zur Menopause. Zwischen den ersten subtilen Veränderungen des Zyklus bis zur letzten Periode können zehn Jahre vergehen, deswegen spricht man auch von Wechseljahren und nicht Wechselmonaten.

Welche Anzeichen weisen auf eine Perimenopause hin?

Wenn wir auf die 40 zugehen, schleichen sich oft schon die ersten Symptome an. Die Blutung kann anfangen, zu früh oder zu spät zu kommen, um dann phasenweise wieder normal zu sein. Hier sind die individuellen Unterschiede groß. Oft treten auch schon erste Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen auf. In der späten Perimenopause machen wir dann Bekanntschaft mit Beschwerden wie Hitzewallungen, die erst seltener, dann immer häufiger kommen. Es gibt aber auch weniger bekannte Symptome, etwa Kopf- und Gelenkschmerzen oder Depressionen. Es ist sehr wichtig, bei allen Symptomen, die ab 40 auftreten, zu beleuchten, ob sie nicht hormonell ausgelöst wurden.

Wann sollte man das ärztliche Gespräch suchen?

Wenn man Symptome feststellt – auch wenn sie auf den ersten Blick nichts mit den weiblichen Organen zu tun haben. Die hormonellen Schwankungen lassen sich auch über die Blutwerte feststellen. Das heißt aber nicht, dass die Blutwerte alleine bestimmen, ob man perimenopausal ist oder nicht. Wenn eine Frau Symptome hat, aber ihre Blutwerte im Normbereich sind und ihre Periode regelmäßig, heißt es nicht, dass sie sich ihre Beschwerden einbildet. Eine Blutentnahme ist lediglich eine Momentaufnahme, wie ein Selfie. Wer Symptome hat, sollte sich also nicht abspeisen lassen.

Aus welchem Grund haben Sie diesem Thema ein ganzes Buch gewidmet? Gab es einen Auslöser?

Als Ärztin beschäftige ich mich seit langem intensiv mit dem Thema Wechseljahre und weiß auch aus eigener Erfahrung als Frau „im besten Alter“, was hilft und was nicht. Unser Bild von der Perimenopause ist hoffnungslos veraltet. Viele Frauen leiden unnötig. Dabei muss da heute keine mehr „durch“: Wenn die Beschwerden erst mal identifiziert sind, kann jede Frau viel für ihr Wohlbefinden tun. Mit meinem Buch möchte ich den Frauen zeigen, wie sie noch lange fit, happy und sexy bleiben können.

Sind die Wechseljahre mit der Pubertät zu vergleichen?

Die Pubertät ist neben der Phase der Fruchtbarkeit und den Wechseljahren eine Zeit der hormonellen Umstellung. Aber mir widerstrebt der Vergleich, weil er dazu verführen könnte, Frauen in den Wechseljahren nicht ernst zu nehmen. Tatsache ist, dass wir eine Generation von Frauen sind, die nicht so schnell altern wollen. Man darf die Frauen heute nicht mehr mit denen der Nachkriegsgeneration vergleichen oder gar mit denen davor. Ende des 19. Jahrhunderts lag die Lebenserwartung einer Frau bei 48 Jahren – in 100 Jahren hat sie sich fast verdoppelt! Auch biologisch betrachtet, sind wir wesentlich jünger als die Frauengenerationen vor uns und haben daher den Riesenvorteil, dass wir die zweite Hälfte unseres Lebens super nutzen können.

Wie geht man am besten mit dem Libidoverlust in den Wechseljahren um?

Zunächst mal sollte man genau hinschauen, ob der Libidoverlust wirklich mit den Wechseljahren zusammenhängt oder eher damit, dass man keine Lust mehr auf seinen Partner hat. Mit schwindendem Östrogenspiegel sind wir Frauen nicht mehr so sehr daran interessiert, es allen recht zu machen, auch nicht unserem Ehemann. Da kommen grundlegende Dinge zum Vorschein. Oft dämpfen auch andere Faktoren die Lust, zum Beispiel körperlicher und psychischer Stress, der nicht ausreichend abgebaut wird. Die Wechseljahre können aber durchaus auch eine sexuell intensive Zeit sein. Sharon Stone hat mal gesagt, dass sie den besten Sex ihres Lebens mit 46 hatte, und das glaube ich sofort. Das Testosteron gewinnt jetzt die Oberhand und schenkt uns eine Libido ohne Reue. Wir Frauen brauchen nämlich auch Testosteron!

Gibt es Ihrer Meinung nach schon ausreichend Forschungsarbeit zum Thema Wechseljahre oder sehen Sie bei manchen Aspekten Nachholbedarf?

Die medizinische Forschung ist in Bezug auf den weiblichen Körper – freundlich formuliert – sehr zurückhaltend. Daher gibt es noch immer viel Nachholbedarf. Nehmen wir etwa das Testosteron: Ein Mangel macht sich nicht nur in fehlender Libido, sondern auch in Gelenk- und Muskelschmerzen, Antriebslosigkeit oder Depressionen bemerkbar. Doch bisher wurden kaum wissenschaftliche Studien über Testosteron im weiblichen Organismus durchgeführt. Wir haben daher keine definierten Sollwerte, weil keine Forschung oder verlässliche Daten existieren. Also bleibt das Thema Testosteronersatz erst mal in den Händen von uns Ärzten. Wenn ich Testosteron verordnen möchte, kann ich dabei nur auf Präparate für Männer zurückgreifen und die Dosis anpassen, weil die Pharma-Welt ohne erkennbaren Grund zögerlich ist, ein Mittel für Frauen rauszugeben. Das ist wirklich ein unwürdiger Zustand für das Jahr 2020.

Welchen Nutzen hat eine Hormontherapie? Warum ist diese teilweise umstritten?

Der schlechte Ruf von Hormonpräparaten hängt mit einer Studie der Women’s Health Initiative, kurz WHI, zusammen. Sie kam 2002 zu alarmierenden Ergebnisse bezüglich weiblicher Hormonbehandlungen. Doch das generelle Verteufeln von Hormonen ist aus heutiger Sicht nicht mehr gerechtfertigt. Die moderne Hormontherapie verwendet bioidentische Präparate: Sie haben die identische Molekülstruktur wie die Hormone, die von unserem Eierstock produziert werden. Der Körper kann den Unterschied nicht feststellen und verwendet sie wie seine eigenen – sie kommen ready-to-use, sozusagen.

Der Verlust der Regel ist für viele Frauen ein Gefühl oder Zeichen verlorener Weiblichkeit. Wie sehen Sie diesen Umstand und wie raten Sie Ihren Patient*innen, damit umzugehen?

Von verlorener Weiblichkeit kann doch gar keine Rede mehr sein. Viele Frauen meiner Generation werden mit den Jahren sogar schöner und fitter– schauen wir uns nur Marie Bäumer, Maria Furtwängler oder Katja Riemann an! Auch wenn unsere Fruchtbarkeit irgendwann zu Ende geht, ist das kein Grund, Angst vor den Wechseljahren zu haben. Mit einem bewussten Umstellen des eigenen Lifestyles und einer guten hormonellen Begleitung kann jede Frau etwas tun, um gesund und in Form zu bleiben. Und auch auf persönlicher Ebene haben wir jetzt die Chance, zu entdecken, was in uns steckt und die Frau zu werden, die wir immer sein wollten.

ZUR PERSON

Wechseljahre: Interview mit Dr. de Liz
Dr. med. Sheila de Liz / Fotocredit: Gaby Gerster

Dr. med. Sheila de Liz ist die wohl bekannteste Frauenärztin Deutschlands. Die gebürtige Amerikanerin kam als Teenagerin nach Deutschland, studierte in Mainz Medizin und führt heute ihre eigene Praxis in Wiesbaden.

Ihr Buch „Unverschämt – Alles über den fabelhaften weiblichen Körper“ (Rowohlt, 2019) stand 14 Wochen lang in den Top Ten der Spiegel-Bestsellerliste. Ihr zweites Buch über die Perimenopause und wie wir ihr gelassen entgegensehen können, erschien kürzlich unter dem Titel „Woman on Fire – Alles über die fabelhaften Wechseljahre“ (Rowohlt, 2020). Weitere Informationen findest du auch hier.

Auch spannend zum Thema „Gelassen bleiben“:

Weg mit der Angst – Interview mit Dr. Croos-Müller


Instagram

Folge uns auf Instagram oder poste ein Bild mit dem #ichbinAvon. Zeig uns deine Vielfalt, die unsere Avon Community so einzigartig macht.