Zum Glück: Interview mit der Glücksministerin Gina Schöler

Foto: Daniel Clarens
Jeder sucht es, manche haben es, alle wollen es: Das ganz persönliche Stück vom Glück. Doch was ist das eigentlich und wie findet man es?

Zum Glück gibt es das Ministerium für Glück und Wohlbefinden und seine Glücksministerin Gina Schöler, die uns all diese Fragen und noch mehr beantworten kann.

Frau Schöler, Sie beschäftigen sich durch das Ministerium für Glück und Wohlbefinden intensiv mit dem Thema Glück, für das es viele Definitionen gibt. Wie definieren Sie es persönlich?

Glück ist sehr individuell und ich bin der festen Überzeugung, dass jeder seine eigene Definition beziehungsweise auch mehrere Definitionen von Glück hat. Ich persönlich habe zwei für mich herausgefunden:

Zum einen hat ein glückliches Leben für mich sehr viel mit Verbundenheit zu tun. Denn mit sich selbst, seinen Mitmenschen und der Umwelt verbunden zu sein, bedeutet Selbstfürsorge, Gemeinschaft und Achtsamkeit – das sind wichtige Bausteine für das Glück. Verbundenheit mit sich selbst bedeutet insbesondere, sich Zeit für sich selbst einzuräumen und diese zu nutzen, um auf die eigenen Bedürfnisse Acht zu geben. Wenn wir uns Zeit nehmen für Stille und Reflexion, sind wir ganz mit uns verbunden.

Auf der anderen Seite ist es auch wichtig, dass wir mit unserem Umfeld verbunden sind und den Kontakt mit anderen Menschen pflegen. Ganz gleich ob mit Familie, Freunden oder auch Fremden. Wir fühlen uns gleich viel lebendiger, wenn wir mit anderen Menschen zusammen sind. Daher ermutige ich immer wieder dazu, in Austausch zu treten, schöne Dinge gemeinsam zu unternehmen und auch zu plauschen, flirten und schäkern – denn mit etwas Charme kommen wir leichter und glücklicher durch den Alltag. 

Eine zweite prägnante Glücksdefinition von mir lautet: Glück ist Veränderung. Und zwar im Sinne von, dass alles im Wandel, im Fluss, ist. Nichts ist stetig, sicher und für immer. Glück besteht darin, dies anzunehmen und im Positiven für sich zu nutzen. Dies bedeutet auch, Chancen zu erkennen und mutig genug zu sein, sie wahrzunehmen. Es lebt sich leichter, wenn wir uns nicht ständig widersetzen, sondern den Dingen einfach mal ihren Lauf lassen und wenn sich die Möglichkeit bietet, Möglichkeiten zu nutzen und das Beste draus zu machen. 

Wichtig in jedem Falle ist, dass Glück sich immer wieder ändern kann und auch unsere Perspektive auf das gute Leben ist nicht in Stein gemeißelt. Glück, Zufriedenheit, Wohlbefinden kann in jeder Lebensphase ganz anders wahrgenommen und definiert werden – und wenn wir mit unseren eigenen Definitionen flexibel bleiben, sie anpassen und unser Leben danach ausrichten, haben wir schon viel für unser eigenes Glück getan. 

Was ist das Erstaunlichste, was Sie während des Schreibens an Ihrem Buch herausgefunden haben?

Das Buch „Das kleine Glück möchte abgeholt werden – 222 Anstiftungen vom Ministerium für Glück und Wohlbefinden ”, enthält Mini-Essays von mir selbst, aber auch von Glücksforschern und -experten, Fans und Freunden – und sogar von einem echten Bundesminister. Diese bunte Mischung an Beiträgen hat mir eines ganz deutlich vor Augen geführt, wie vielfältig das kleine und auch das große Glück doch ist. Die vielen Mitschreiberlinge erzählen Anekdoten aus ihrem Alltag, zeigen auf, in welchen Situationen sie pure Freude spüren, was sie das Leben gelehrt hat, wann sie innegehalten und gestaunt haben, von Gefühlen übermannt wurden, einfach nur dankbar waren und das zeigt auf vielfältige Weise auf, wie wir Glück aktiv gestalten können. 

Für mich als Autorin war es erstaunlich zu beobachten, was es mit der eigenen Wahrnehmung über Themen rund um Wohlbefinden macht, wenn man sich explizit auf die Suche nach Glücksmomenten begibt. Ich bin immer noch der Meinung, dass wir Glück nicht suchen müssen, sondern es nur finden können, und dass es hinter jeder noch so kleinen Ecke auf uns wartet. Was wir aber tun können, ist, unsere eigene Haltung zu überprüfen und unsere Fühler nach dem Guten auszustrecken. Es ist unglaublich, wie viele positiven Dinge sich im Umfeld auftun, wenn man genau das macht. Ganz nach der Devise: Where the focus goes, energy flows. 

Kann uns das Glück zufliegen oder ist es eher ein Weg, an dem wir stetig arbeiten müssen?

Wir alle kennen diese glücklichen Alltagsmomente: Gerade noch so die Bahn erwischt, rechtzeitig auf den Boden geschaut und so ein Geldstück gefunden, zufällig in der Bar unseren Traumpartner kennengelernt… Dieses „Zufallsglück” gibt es natürlich und wir können hierbei bewusst sagen, dass uns das Glück zugefallen ist. Diese Zufälle lassen sich nicht beeinflussen, sondern sie passieren einfach.  

Allerdings können wir uns öffnen für positive Geschehnisse im Leben. Wenn wir unsere gute Haltung nach außen tragen und wir Dinge so vorleben, wie wir sie zurück gespiegelt haben möchten, tun sich oftmals wunderbare Dinge auf. Natürlich dürfen wir nicht erwarten, dass alles immer glatt läuft, nur weil wir selbst ein positives Mindset haben, aber oftmals erhalten wir einfach das zurück, was wir selbst aussenden. Daher ermutige ich dazu, nicht im stillen Kämmerlein auf das Glück zu warten, sondern es über die Türschwelle raus in die weite Welt zu tragen und ihm so eine Chance zu geben, ins Leben zu treten.

Als Gestalter unseres eigenen Glücks gilt es auch, ständig daran zu arbeiten. Denn es handelt sich hierbei um einen fortlaufenden Prozess, der miteinschließt, dass wir unsere Sinne schärfen und auch immer wieder reflektieren, was uns gut tut und was wir uns vom Leben wünschen. Insofern ist es schon auch ein kleines Stückchen Arbeit mit dem guten Glück – aber eine Arbeit, die Spaß macht und sich besonders lohnt. 

Oft ist von der Glückssträhne die Rede. Wie lange hält Glück an?

Mit der Glückssträhne ist es denke ich so ähnlich, wie mit dem Zufallsglück – sie existiert, keine Frage! Wir alle haben zwischendurch Tage, an denen alles einfach glatt zu laufen scheint: Wir sind super aus dem Bett gekommen, haben am Morgen schon liebe Nachrichten erhalten, die Arbeit läuft wie am Schnürchen, die Führungskraft lobt uns, wir können nach Feierabend das schöne Wetter genießen und sind auch grad so einem Strafzettel entkommen – Schwein gehabt!

Ein festgelegtes Zeitfenster für Glückssträhnen gibt es nicht und auch die Frage, wie lang Glück anhält, lässt sich nicht beantworten. Sicher ist: Unser Leben besteht aus Höhen und Tiefen. Wir erleben die tollsten Momente, feiern großartige Feste, sind von lieben Menschen umgehen und dann gibt es auch wieder Phasen, in denen es uns nicht gut geht, in denen wir mit Trauer zu kämpfen haben, oder wir uns alleine fühlen. Hier greift wunderbar meine Glücksdefinition von Veränderung: Alles ist im Wandel, im Fluss. Also lasst uns genau das so annehmen, ohne uns zu sehr zu widersetzen. Nur wenn es zwischendurch bergab geht, können wir genug Schwung holen, vollen Fahrtwind aufnehmen und auf die höchsten Gipfel schwingen. Wie lange wir da oben bleiben ist ungewiss – also genießt in jedem Fall die Aussicht so lange ihr oben seid.

Kann man nicht erst glücklich sein, wenn man auch weiß, was Unglück ist?

Es kann unter Umständen das eigene Glück verstärken, wenn man auch weiß, was Unglück ist. Allerdings ist dieser Umstand keine Voraussetzung. Denn wenn man achtsam durch das Leben geht, demütig und dankbar ist, dann bin ich der Meinung, dass man auch viel Glück empfinden kann, ohne die Seite des Unglücks zu kennen. Und auch hier gilt wieder: Glück ist sehr individuell. Was den einen glücklich oder auch unglücklich macht, setzt bei dem anderen keine positiven oder negativen Gefühle in Gang. Die Glücksforschung zeigt außerdem, dass Glück aktiv hergestellt werden kann und nicht einfach passiv auftaucht, zum Beispiel dadurch, dass das Unglücklichsein wegfällt (1). Hier sind also wir selbst wieder gefragt. Lasst uns aktiv an unserem eigenen Glück arbeiten, es raustragen in die Welt, andere damit anstecken und so einen Dominoeffekt der guten Gefühle auslösen. Der schöne Nebeneffekt: So sind wir auch für unglückliche Zeiten gewappnet. 

Von was ist Glück abhängig?

Die Wissenschaft zeigt, dass unser Glück nur zu 10 Prozent von äußeren Umständen abhängt. 50 Prozent werden unseren Genen zugeschrieben und ganze 40 Prozent liegen in unseren eigenen Händen. Daher plädiere ich auch immer dazu, des eigenen Glückes Schmied zu werden! Wir können so viel selbst steuern, wenn wir nur aktiv werden. Mit ein paar kleinen Glückshacks lässt sich unser Glücksbarometer steigern. Entspannung ist ein wunderbarer Glückshack für die aktuelle Jahreszeit. Wir können beispielsweise entspannter Musik lauschen, Meditieren oder einfach mal wieder früher ins Bett gehen. Die Liste an Hacks lässt sich natürlich beliebig erweitern. Sie soll lediglich zeigen: Ja, dunkle Tage können auf unsere Stimmung drücken; aber nein, unser Glück ist nicht allein davon abhängig. 

Gibt es unterschiedliche Auffassungen für Glück bei Frauen und Männern?

Es wurde schon versucht herauszufinden, welches Geschlecht das glücklichere ist. Die Ergebnisse zu dieser Frage sind allerdings sehr unterschiedlich. Während einige der Auffassung sind, dass Frauen glücklicher sind als Männer (z.B. Wohlstandsindex 2012 (2)), zeigen andere Studien konträre Ergebnisse (z.B. (3)). Unabhängig von der Frage, wer glücklicher ist, zeigt sich, dass Glück unterschiedlich für Männer und Frauen ist (4) und dass sich die Geschlechter darin unterscheiden, was Glück für sie bedeutet (5)

Ohne zu sehr auf die Forschung einzugehen, würde ich gerne wieder betonen, dass Glück sehr individuell ist. Egal ob Frau oder Mann, jung oder alt, groß oder klein: Jeder von uns hat seine ganz eigene Definitionen von einem zufriedenen Leben und jeder lebt es anders aus. Viel bedeutender als die Frage, welche Unterschiede es gibt, finde ich die Frage danach, was uns individuell glücklich macht und wie wir unser Wohlbefinden steigern können. Wir finden mit Sicherheit auch viele Gemeinsamkeiten mit anderen Menschen, können uns mit ihnen zusammenschließen, uns gegenseitig ergänzen und somit das Bruttonationalglück für alle steigern. 

Wahrscheinlich hat sich das, was wir mit Glück verbinden, im Laufe der Zeit geändert. Haben Sie das Gefühl, dass es dadurch umso schwieriger wird, glücklich zu werden?

Ich finde, dass es dadurch besonders spannend ist, sich mit dem Glück zu beschäftigen. Es handelt sich nicht um ein Fixum, sondern verändert sich natürlich im Laufe der Zeit, denn auch wir, unsere Vorstellungen, Wünsche, Werte ändern uns und das ist auch gut so. Wie langweilig es wäre, wenn wir schon zu Beginn unseres Lebens den „heiligen Gral” des Glücklichsein ergreifen, nie wieder loslassen und uns so nicht weiterentwickeln können. Das Leben ist ein aufregendes Auf und Ab, wir dürfen jeden Tag Neues lernen und unser Glück wachsen lassen. Das bedeutet auch Arbeit, aber ich finde nicht, dass es durch diesen Wandel schwieriger ist, glücklich zu werden. 

Wie fange ich an, glücklich zu werden? Gibt es einen Einstieg?

Es gibt eine wunderbar bunte und vielseitige Palette an Möglichkeiten, wie wir unser Glücksbarometer steigern können. Ich könnte wahrscheinlich stundenlang Happiness Hacks aufzählen, die dabei helfen, etwas glücklicher zu sein. Zum Einstieg gebe ich gerne ein kleines Einmaleins des Glücklichseins: 

Da Glück immer etwas mit Verbundenheit zu sich selbst zu tun hat, kann ich besonders empfehlen, Zeit mit sich zu verbringen: Genießt eure eigene Gesellschaft, tut, worauf ihr Lust habt, und lasst alles im Außen los. Kocht beispielsweise euer Lieblingsessen, nehmt ein warmes Bad, lest mal wieder ein Buch, macht einen langen Spaziergang oder einen Kopfstand. Oder wie wäre es damit, die Lieblingsmusik laut aufzudrehen und durch die Wohnung zu tanzen? Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Die kleinsten Taten können schon wahre Glücksmomente schaffen und euch selbst ein Stück näher bringen.

Glück meint aber auch Verbundenheit mit anderen. Unternehmt daher schöne Sachen mit euren Lieblingsmenschen: Veranstaltet ein Picknick, spielt ein Brettspiel aus Kindertagen, macht gemeinsam Sport oder worauf ihr auch immer Lust habt. Was außerdem beim Glücklichsein hilft, ist, anderen gegenüber dankbar zu sein. Euer Nachbar hat euch beim Umzug geholfen? Der Arbeitskollege hat auch bei einem Projekt unterstützt? Eure Freundin war für euch da, als es euch nicht gut ging? Bedankt euch aufrichtig bei den Menschen in eurem Umfeld mit lieben Worten, egal ob geschrieben oder gesprochen, einem Liebesdrücker oder einer kleinen Aufmerksamkeit – das sind kleine Gesten mit einer großen Wirkung.

Bei den vielen Annahmen zum Thema Glück wird immer wieder deutlich, dass jeder für sein eigenes Glück verantwortlich ist und kein anderer dabei helfen kann. Würden Sie das bestätigen?

In erster Instanz sind wir selbst für unser Wohlbefinden verantwortlich, ja. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und sage: Nur, wenn wir uns gut um uns selbst kümmern, sorgsam mit uns umgehen und das tun, was uns glücklich macht, können wir auch für andere da sein und unser Glück weitergeben. 

Auf der anderen Seite sind wir natürlich auch soziale Wesen und unser Umfeld hat einen großen Einfluss auf unsere Zufriedenheit. Daher würde ich Glück nie isoliert betrachten, sondern immer im Kontext der Gemeinschaft. Andere können uns dabei helfen, ein glücklicheres Leben zu führen. Es erfüllt uns mit Freude, mit anderen zu lachen, uns mit Ihnen auszutauschen und ihnen etwas Gutes zu tun. Vor allem wenn es uns einmal nicht sehr gut geht, ist es schön, wenn wir von unseren Freunden, unserer Familie und all den lieben Menschen um uns herum unterstützt werden. 

ZUR PERSON

Gina Schöler / Fotocredit: Elmar Witt

Als Glücksministerin fasziniert Gina Schöler durch greifbare Ansätze, die sofort in den (Arbeits-)Alltag übertragbar sind, tausende Menschen im gesamten deutschsprachigen Gebiet. Mit ihrem Buch, Podcast und Blog, aber auch live bei Vorträgen und Workshops zeigt sie uns, dass es nicht immer um das große, allumfassende Glück geht, sondern es oft die kleinen Begegnungen und wertschätzenden Momente im Alltag sind, die nachhaltig glücklich machen.

Das etwas andere Ministerium

Das Ministerium für Glück und Wohlbefinden ist eine bundesweite Initiative und die Metapher einer multimedialen Kampagne, welche das Thema Glück spielerisch und kreativ ins Gespräch bringt und zum Umdenken und Mitmachen motiviert. Mit Mitmach-Aktionen und Angeboten rund um Zufriedenheit, Positive Psychologie, Lebensgestaltung und seelische Gesundheit bietet diese unabhängige Initiative Impulse und Inspirationen für alle, die sich selbst und die Gesellschaft verglücklichen möchten – ganz nach dem Motto: Gemeinsam steigern wir das Bruttonationalglück!

Facebook & Instagram: @ministeriumfuerglueck

Podcast: Das kleine Glück

Quellen zum Interview:

  1. https://www.gluecksarchiv.de/inhalt/unglueck.htm
  2. https://www.welt.de/regionales/hamburg/article111503257/Deutsche-Frauen-sind-gluecklicher-als-Maenner.html
  3. https://academic.oup.com/eurpub/article/28/5/847/4993767
  4. https://journals.sagepub.com/doi/abs/10.1177/008124630303300403
  5. https://www.amazon.de/Gl%C3%BCck-Ungl%C3%BCck-Gl%C3%BCcks-Ungl%C3%BCckserlebnisse-interaktionistischer/dp/389334408X

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